»Eine wunderbare Atmosphäre«

Was macht die Menschheit im Anthropozän? Wo liegen die Chancen und Risiken der Künstlichen Intelligenz? Welche Gefahren sind mit verengten Debattenräumen verbunden? Dies sind nur drei der Themen, mit denen sich die Stipendiatinnen und Stipendiaten des Bertha von Suttner-Studienwerks bei ihrem Treffen vom 16. bis 18. Juni beschäftigt haben.

Zweimal im Jahr lädt das Bertha von Suttner-Studienwerk (BvS) seine Stipendiat*innen zum gemeinsamen Nachdenken und Diskutieren ein. Die Herbstveranstaltungen finden dabei im „Haus des Humanismus“ in Berlin statt, das vom Humanistischen Verband Deutschlands (HVD-Landesverband Berlin-Brandenburg) getragen wird, die Sommertreffen im „Haus Weitblick“ in Oberwesel, dem Sitz der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs). Vom 16. bis 18. Juni kamen die Stipendiat*innen nun wieder im Stiftungshaus oberhalb des Rheins zusammen.

Nach einer kurzen Begrüßungsrunde startete das Programm am Freitagnachmittag mit verschiedenen „What if“-Diskussionsgruppen, in denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit ungewöhnlichen Szenarien konfrontiert wurden, etwa mit der Frage: Was wäre, wenn wir unseren Geist auf einen Computer hochladen könnten? Oder: Was wäre, wenn wir Kontakt mit einer intelligenten außerirdischen Spezies aufnehmen würden? Die Diskussionen über diese Szenarien erwiesen sich nicht nur als inhaltlich spannend, sie boten den Stipendiat*innen auch die Gelegenheit, sich untereinander noch etwas besser kennenzulernen.

Die humanistische Bewegung, die KI und das Rätsel der dunklen Materie

Am Freitagabend stellte der Ethnologe Christoph Antweiler, der auch Mitglied im Beirat des Suttner-Studienwerks ist, seine Überlegungen zum Thema „Anthropologie im Anthropozän“ vor, was nachhaltige Diskussionen bis tief in die Nacht auslöste. Dennoch waren die Stipendiatinnen und Stipendiaten am nächsten Morgen wieder pünktlich zur Stelle, um an den ersten Workshops teilzunehmen, die sich um die Risiken der Künstlichen Intelligenz, die Geschichte der humanistischen Bewegung sowie um das Rätsel der dunklen Materie drehten.

Nach dem Mittagessen ging es in einer zweiten Workshoprunde um „Street Epistemology“, eine Methode, die es ermöglicht, produktiv zu streiten, sowie um die historisch zwar hochproblematische, aber auch chancenreiche Verbindung von Evolutionstheorie und Medizin. Anschließend wanderte die Gruppe hoch zum „Günderodehaus“, wo einst das Filmepos „Heimat“ von Edgar Reitz seinen krönenden Abschluss gefunden hat. Wieder zurück im „Haus Weitblick“ beschäftigten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Fragen der Karriereplanung.


Alumni-Programm geplant

Am Samstagabend sprach die Juristin Jessica Hamed, die stellvertretende Direktorin des Instituts für Weltanschauungsrecht (ifw), über „Konformitätsdruck und Schweigespiralen im öffentlichen Diskurs“ – ein Thema, das sie aus eigener Erfahrung kennt, seit sie Rechtsverfahren im Zuge der Corona-Krise geführt hat. Auch dieses Referat löste intensive Diskussionen aus, die zum Teil recht kontrovers ausfielen. Genau dies war allerdings auch gewünscht. Von „Schweigespiralen“ war im „Haus Weitblick“ jedenfalls nichts zu spüren.

Obwohl die letzten Gäste das Stiftungshaus erst in den frühen Morgenstunden verließen, waren alle wieder pünktlich um 10.00 Uhr vor Ort, um an der Feedbackrunde teilzunehmen. Die Stipendiatinnen und Stipendiaten lobten dabei die „wunderbare Atmosphäre“, die „gute Stimmung“, die „vielen interessanten Gespräche“, das „hervorragende vegetarische und vegane Essen“ sowie die „gelungene Organisation des Treffens“. Dabei kam bei einigen von ihnen auch ein wenig Wehmut auf, denn die zweijährige Förderung wird für die ersten 10 der insgesamt 25 Stipendiat*innen im Oktober 2023 auslaufen. Damit sie weiterhin Kontakt zum Studienwerk und zu ihren Mitstipendiat*innen aufrechterhalten können, soll nun ein Alumni-Programm eingerichtet werden. Auch hierüber wurde zum Abschluss des Treffens am Sonntagvormittag eifrig diskutiert.

Ausschreibung zum Suttner-Stipendium 2023 läuft

Dass die erste Generation der Suttner-Stipendiat*innen die Förderung durch das BvS so positiv bewertet, bestätigt die Erwartungen der Vorstandsmitglieder Anja Krüger-Chan (Humanistischer Verband Deutschlands), Michael Schmidt-Salomon (Giordano-Bruno-Stiftung), Ralf Schöppner (Humanistische Akademie Deutschland) und Tobias Wolfram (Bundesarbeitsgemeinschaft Humanistischer Studierender). Sie sehen darin nicht zuletzt auch einen Beleg dafür, wie dringend erforderlich ein dezidiert humanistisches Studienwerk in unserer weitgehend säkularisierten Gesellschaft ist.

Da das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), das zwar vier religiöse Studienwerke fördert, aber kein humanistisches, diese Notwendigkeit noch nicht anerkennt, kann das Suttner-Studienwerk bislang nur 25 Stipendien pro Jahr ermöglichen. Die aktuelle dritte Ausschreibungsrunde des BvS läuft noch bis Ende Juli. Wer sich für das „Suttner-Stipendium 2023“ bewerben möchte, hat also noch ein wenig Zeit. Alle relevanten Informationen zum Bewerbungsprozess findet man auf der Website des Bertha von Suttner-Studienwerks.