Humanismus als
Weltanschauung

Der Humanismus gehört mit seiner mehr als 2500-jährigen Geschichte zu den großen Traditionslinien der europäischen Kultur- und Geistesgeschichte. Der Vertrag über die Europäische Union ist Zeugnis dieser Bedeutung des Humanismus.

 

Schon in der Präambel wird die kulturelle Tradition benannt, auf die sich die Europäische Union bezieht:

„Schöpfend aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas, aus dem sich die unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte des Menschen sowie Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit als universelle Werte entwickelt haben (…)“

Als Weltanschauung bietet der Humanismus eine sinnhafte ethische Perspektive auf das Leben der Einzelnen und ihr Zusammenleben im Ganzen der Welt. Er beantwortet die großen existenziellen Fragen der Menschheit, ohne mit übernatürlichen Kräften zu rechnen. Denn Humanist*innen erklären die Welt konsequent aus sich selbst heraus. Deshalb glauben sie auch nicht an ein Weiterleben nach dem Tod, sondern konzentrieren sich auf das Leben im Hier und Jetzt, dessen Wert durch die Absage an die Ewigkeit keineswegs geschmälert wird. Im Gegenteil: Gerade weil das Leben endlich ist, ist es so unendlich kostbar.

Humanist*innen sind dementsprechend überzeugt, dass allein die Menschheit selbst für ihr gutes Zusammenleben verantwortlich ist und engagieren sich deshalb für Werte wie Humanität, Vernunft, Empathie und Toleranz im alltäglichen menschlichen Miteinander. Humanismus ist somit ein Orientierungsangebot für alle, die sich für das menschliche Wohlergehen und eine humane Gestaltung der Welt im Sinne des langfristigen zivilisatorischen Gedeihens der Menschheit engagieren.

Der Humanismus im 21. Jahrhundert ist eine wachsende Bewegung, die unzählige Individuen und Gruppen in allen Teilen der Welt vereint: Seine Ziele sind in verschiedenen Dokumenten dargelegt, etwa in dem von 22 Nobelpreisträgern unterzeichneten Humanist Manifesto oder der von mehr als 150 Organisationen unterzeichneten Amsterdam-Deklaration.

Verschiedene Spielarten des Humanismus definieren sich dabei durch ihre unterschiedlich ausgeprägte Betonung humanistischer Grundideen: Sei es das Bekenntnis zu Naturalismus, kritisch-rationaler Vernunft und Wissenschaftlichkeit oder zu Selbstbestimmung, Verantwortung und praktisch gelebter Humanität – die komplementäre, auf gleichberechtigtem Austausch aufbauende Vielfalt des modernen Humanismus ist seine große Stärke.